Ehemaliger Pentagon-Beamter: Lieferungen an Ukraine belasten US-Rüstungsindustrie
Dies sei die “logische Folge von jahrelangem Dauereinsatz, Unterfinanzierung, schlecht definierten Prioritäten, wild wechselnder Sicherheitspolitik, äußerst schlechter Disziplin bei der Programmdurchführung und einem tiefgreifenden Mangel an Professionalität im gesamten nationalen Sicherheitsapparat, selbst wenn die Bedrohungen für die Interessen der USA zugenommen haben”, heißt es in dem Bericht. Vorbei sind also die Zeiten, in denen das US-Militär davon träumen konnte, eineinhalb oder sogar zweieinhalb Kriege zu führen. Stattdessen kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass die gegenwärtigen US-Streitkräfte in erheblichem Maße Gefahr laufen, überhaupt den Anforderungen auch nur eines einzigen großen regionalen Konflikts gewachsen zu sein.
Die “Bedrohungen”, die von China, Russland und Nordkorea ausgehen, so die Autoren des Heritage-Berichts, würden aber die “Zwei-Kriegs- oder Zwei-Notfall-Anforderung” notwendig machen. Eine Realität, die die US-Politiker zur Kenntnis nehmen sollten, bevor sie in der Welt Unruhe stiften. Denn anders als in den vergangenen Jahren wird die Kavallerie der einst mächtigen Militärmacht möglicherweise nicht in der Lage sein, zur Rettung zu eilen. Sorgen machen sich die Autoren vor allem für den Fall, dass die Vereinigten Staaten Nuklearwaffen einsetzen müssten. Gerade der Krieg in der Ukraine zeige, dass bestimmte Akteure sich “nicht unbedingt von konventionellen Maßnahmen abhalten” ließen, obwohl die USA eine “starke” Nuklearmacht seien. Auch die Verbündeten seien im Zweifel keine große Hilfe, erklären die Autoren. So verfüge Deutschland derzeit beispielsweise “über keine kampfbereite Division”.
US-Militärführung räumt Missstände ein
Admiral Charles Richard, Befehlshaber des Strategischen Kommandos der Vereinigten Staaten, sagte am Mittwoch, dass der aktuelle Konflikt mit Russland in der Ukraine “nur das Aufwärmen” für potenziell größere Konflikte in der Zukunft sei. “Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir auf eine Art und Weise getestet werden, wie es schon lange nicht mehr der Fall war”, sagte Richard während einer Rede auf dem 2022 Annual Symposium and Industry Update der Naval Submarine League in Arlington, Virginia. Mit Blick auf den erst kürzlich erschienenen Heritage-Report räumte der Admiral ein, dass die Abschreckung gegenüber China und Russland immer weniger effektiv sei, da die beiden Länder die USA dabei überholten, Fähigkeiten “im Feld” aufzubauen:
“Wenn diese Kurven so weitergehen, wird es keine Rolle spielen, wie gut unser [Operationsplan] ist oder wie gut unsere Kommandeure sind oder wie gut unsere Pferde sind – wir werden nicht genug davon haben. Und das ist ein sehr kurzfristiges Problem. Vielleicht ist die U-Boot-Streitmacht der einzige echte asymmetrische Vorteil, den wir gegenüber unseren Gegnern noch haben.”
Auch der republikanische US-Kongressabgeordnete Mike Gallagher, ein ehemaliger Marinesoldat, bemängelte bei seinem Auftritt bei der Heritage Foundation Mitte Oktober den desolaten Zustand der US-Streitkräfte. Seiner Ansicht nach habe die Regierung von Präsident Joe Biden das Konzept der “integrierten Abschreckung” übernommen, bei dem die “harte Macht” weniger im Vordergrund stünde. Stattdessen werde versucht, die Abschreckung durch eine bessere Integration der weichen Macht wie Sanktionen, enge Zusammenarbeit mit Verbündeten und den Einsatz von Technologie zu erreichen. Diese Taktik habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht davon abgehalten, in die Ukraine einzumarschieren. Auch werde sie China nicht davon abhalten, in Taiwan einzumarschieren, so Gallagher. “Uns fehlt es nicht an Optionen. Es fehlt uns an Führung”, bemängelte er:
“Uns fehlt eine Führung im Pentagon, die in der Lage ist, die Bürokratie im Dienste einer Verteidigungsstrategie, die harter Gewalt Vorrang einräumt, nach ihrem Willen zu biegen. Und uns fehlt eine Führung im Weißen Haus, die das Paradoxon im Herzen der Abschreckung versteht. Um einen Krieg zu vermeiden, muss man den Gegner davon überzeugen, dass man sowohl fähig als auch willens ist, Krieg zu führen.”
Wenn die Vereinigten Staaten weiterhin einen utopischen Weg der Abrüstung beschreiten oder zulassen, dass die Angst vor einer Eskalation ihre Entscheidungen dominiert, mahnte Gallagher, werden die US-Führer einen Krieg herbeiführen. Doch nicht nur Richard, Gallagher und die Heritage Foundation gingen kritisch auf fehlende Kapazitäten des US-Militärs ein. Die in Stockholm ansässige Stiftung “Stockholm International Peace Research Institute” (SIPRI) kritisierte bereits im Jahr 2021, dass die US-Militärausgaben stetig zurückgehen. Laut der SIPRI-Studie sah der US-Haushalt im Jahr 2021 noch Militärausgaben in Höhe von 801 Milliarden US-Dollar vor. Ein Rückgang von 1,4 Prozent im vergleich zum Vorjahr. Der Anteil des Militärhaushalts am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank demnach von 3,7 Prozent auf 3,5 Prozent.
Damit haben die USA zwar noch immer den mit Abstand größten Militärhaushalt der Welt. Jedoch gab China laut SIPRI im Jahr 2021 293 Milliarden US-Dollar aus, was allerdings einem Wachstum von 4,7 Prozent im Vergleich zu 2020 entspricht. Russland erhöhte seine Militärausgaben im Jahr 2021 um 2,9 Prozent auf 65,9 Milliarden US-Dollar. Das übertraf 2021 mit 4,1 Prozent des BIP den Anteil der USA.
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