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Militärbasis in Rumänien: Wie die USA das Kräfteverhältnis an Russlands Grenze verändern wollen

Militärbasis in Rumänien: Wie die USA das Kräfteverhältnis an Russlands Grenze verändern wollen

Quelle: AFP © Andrei PUNGOVSCHIDer NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht während seines Besuchs auf dem Militärstützpunkt nahe Mihail Kogălniceanu in Rumänien.

Von Geworg Mirsajan

Rumänien gilt derzeit als das ärmste Land in der Europäischen Union. Dennoch haben die Behörden vor Ort beschlossen, dort rund 2,5 Milliarden Euro für den Bau des größten NATO-Stützpunktes in der “Alten Welt” bereitzustellen.

Europas größte NATO-Militärbasis wird in Rumänien gebaut

Der Stützpunkt wird an der Schwarzmeerküste in der Nähe der Stadt Constanța auf dem Gelände des ehemaligen 57. Luftwaffenstützpunkts des Landes errichtet (auf dem heute bereits etwa 5.000 NATO-Soldaten, vor allem US-Amerikaner, stationiert sind). Der neue Stützpunkt wird Platz für 10.000 Soldaten bieten. Gleichzeitig soll das NATO-Objekt völlig autonom werden, einschließlich eigener Schulen und Kindergärten für den Nachwuchs der Mitarbeiter – eine Art Kleinstadt auf dreitausend Hektar Land.  

Und höchstwahrscheinlich wird diese Kleins wieder vollständig US-amerikanisch sein. Tatsache ist, dass verschiedene Denkfabriken, darunter auch das CSIS (Zentrum für Strategische und Internationale Studien der USA), Berichte veröffentlichten, in denen die Stationierung weiterer Truppen an der Ostflanke der NATO empfohlen wird. Laut NATO-Experten sei dies rentabler, als die Truppen nur dort zu haben und etwa alle neun Monate die Brigaden auszutauschen (wie es derzeit geschieht). Als dauerhafte Stationierungsorte werden Polen (das Donald Trump schon vor dem Beginn der speziellen russischen Militäroperation für diese Rolle in Betracht gezogen hatte) sowie Rumänien vorgeschlagen.

Wadim Truchatschjow, außerordentlicher Professor an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität (kurz RGGU), erläuterte die möglichen Gründe für die Wahl Rumäniens gegenüber der Zeitung Wsgljad folgendermaßen:

“Rumänien grenzt an die Ukraine, hat Zugang zum Schwarzen Meer und liegt gegenüber der Krim. Von diesem Territorium ist es für die NATO bequem, einen möglichen Krieg gegen Russland zu führen. Außerdem war dort die Administration bereit, einen solchen Stützpunkt zu beherbergen.”

Zudem liegt der Stützpunkt natürlich auch gefährlich nahe zu Transnistrien, jenem Gebiet Moldawiens, das von russischen Bürgern bewohnt wird.

Die Rumänen selbst machen keinen Hehl daraus, dass der Stützpunkt in erster Linie zum Kampf gegen Russland gebraucht werde. Euronews zitiert den rumänischen Politologen Dorin Popescu mit den Worten:

“Der Stützpunkt Mihail Kogălniceanu [eine Gemeinde nahe Constanța] wird zur wichtigsten dauerhaften NATO-Militärstruktur in unmittelbarer Nähe des Konflikts in der Südukraine werden. Hoffen wir nicht, dass dieser Konflikt in diesem Jahr, 2025 oder 2026 beendet wird. Das ist ein langfristiger Konflikt.”

Nun, im Moment ist die Bedrohung durch den Stützpunkt relativ gering – schon allein deshalb, weil die Bauarbeiten gerade erst begonnen haben. Euronews schreibt weiter:

“Die Arbeiten am NATO-Stützpunkt haben mit der grundlegenden Infrastruktur begonnen, also mit den Zufahrtsstraßen und dem Stromnetz. Der Bau einer neuen Start- und Landebahn parallel zur bestehenden wird bald beginnen.”

Und dieses Szenarium kann als ein gewisses Element diplomatischen Drucks betrachtet werden. Allerdings könnte der neue NATO-Stützpunkt in Zukunft das Kräfteverhältnis nicht nur in Südosteuropa, sondern auch im Schwarzen Meer gravierend verändern.

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Nominell werden dort Bodentruppen stationiert sein. Laut dem derzeitigen Kommandeur des Stützpunkts Nicolae Crețu kann er nach der Modernisierung alle Bodentruppen, Spezialeinheiten – oder “jedes andere militärische Potenzial, das als Reaktion auf Sicherheitssituationen erforderlich ist” – beherbergen. Das heißt, auch Marineeinheiten, die in der Lage sind, Russlands Kommunikationswege über den Bosporus und die Dardanellen zu gefährden.

Natürlich können die USA gemäß dem Vertrag von Montreux nicht dauerhaft ihre Flotte vor der Küste Rumäniens halten. Aber niemand verbietet einer Flotte, dort unter rumänischer Flagge zu fahren. Daran erinnert Dmitri Ofizerow-Belski, ein leitender Wissenschaftler am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, in einem Gespräch mit Wsgljad:

“Zum Beispiel könnten einige alte Schiffe der US-Marine nach Rumänien überführt werden – wie es einst mit Polen gemacht wurde. Den Polen wurden zwei alte, aber ziemlich große Schiffe geschenkt.”

Neben der Eindämmung Russlands wird der Stützpunkt auch andere Funktionen erfüllen. Zum Beispiel die Abschreckung der Türkei. Wadim Truchatschjow erklärt dazu:

“Die NATO versucht überall, Territorien [für sich] zu markieren. Für den Fall, dass sich die Türkei weigert, brauchen sie buchstäblich Alternativen für einen Flugplatz und Liegeplatz. Hier ist es nicht weit zum Nahen Osten und Nordafrika.”

Und in Ankara sei man natürlich keineswegs von diesem Bau begeistert.

Wladimir Awatkow, Doktor der Politikwissenschaften und Leiter der Abteilung für den Mittleren und postsowjetischen Osten am Institut für wissenschaftliche Information über Sozialwissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften erklärt gegenüber der Zeitung Wsgljad:

“Die Türkei geht von ihrer inoffiziellen Doktrin der “Blauen Heimat” aus, die die Dominanz der Republik in angrenzenden Gewässern impliziert. Trotz der Bündnisbeziehungen mit dem Westen ist die Verstärkung der westlichen Präsenz in der Region in Ankara unerwünscht, weil dadurch das Potenzial und die Wahrnehmung der Türkei verringert würden. Im Schwarzen Meer ist die Türkei im Allgemeinen bereit, nur sich selbst und Russland zu sehen.”

Auch im Südkaukasus versuchen ja die US-Amerikaner und Europäer jetzt einzudringen – und ein militärpolitisches Sprungbrett auch für dieses Projekt ist gerade die Stärkung westlicher Positionen im Schwarzen Meer, einschließlich der Infrastruktur für die Marine, mit deren Hilfe Truppenverlegungen innerhalb des Schwarzmeerbeckens möglich werden können. Wadim Truchatschjow macht dazu klar:

“Das Schwarze Meer wird stärker militarisiert werden. Das ist jedoch nichts Unerwartetes. Seit längerem wird daran gearbeitet, dort die Militärpräsenz zu erhöhen. Und ein Stützpunkt in Rumänien ist eine Möglichkeit, die Beschränkungen für die Durchfahrt von Schiffen durch den Bosporus und die Dardanellen zu umgehen.”

Schließlich wird ein Stützpunkt mit US-Soldaten benötigt, um die Position der USA auch in den osteuropäischen Ländern selbst zu stärken. Ofizerow-Belski erklärt dazu:

“Dies ist ein Element zur Bekräftigung der Existenz einer Allianz zwischen den Ländern und Teil einer Art von Besatzung. Denn wenn beispielsweise US-Truppen auf dem Territorium Rumäniens stationiert sind, handelt es sich dabei immer um ein besonderes Format des Bündnisses. Diese Länder werden in gewisser Weise damit von den Vereinigten Staaten abhängig.”

Zugleich wird das Schicksal dieser Basis offenbar nicht davon abhängen, wer in Washington, D.C. im November ins Weiße Haus einziehen wird. Selbst wenn die Republikaner die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen und nach ihrem Sieg tatsächlich eine neo-isolationistische Position einnehmen, so werden sie Europa dennoch nicht verlassen und werden anstelle ihrer Positionen in der Ukraine die osteuropäische Flanke der NATO ausbauen. Schließlich ist die Eindämmung Russlands, die Begrenzung der Fähigkeiten der Türkei und die Aufrechterhaltung der US-Kontrolle über Europa kein parteipolitisches, sondern ein nationales Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.

Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.

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