Meinung
Der “Krieg gegen den Terror” wird wohl demnächst Europa treffen
Doch die Schizophrenie nahm wieder einmal Überhand. Nach einem lächerlichen Ausflug nach Kiew, gekrönt von einem Auftritt in einem Luftschutzbunker, kündigte Steinmeier zusätzliche Hilfen an: Zwei weitere MARS-Mehrfachraketenwerfer und vier Panzerhaubitzen 2000 sollen in die Ukraine geliefert werden. Und das, obwohl die Weltwirtschaft – namentlich jene der EU – inzwischen so zerbrechlich ist, dass die Mitgliedsstaaten Kiew, das für “unsere Werte” kämpft, nicht mehr helfen können, ohne ihren eigenen Bevölkerungen zu schaden. Zugleich steht die EU am Rande einer katastrophalen Energiekrise.
Auch der weitere Kontext ist hierbei entscheidend. Andrea Zhok, Professor für ethische Philosophie an der Universität Mailand, hat das Konzept des Philosophen Giorgio Agamben in ihrem Buch “State of Exception” (Ausnahmezustand) zu neuen Höhen geführt. Zhok schlägt vor, dass der “zombifizierte” kollektive Westen nun vollständig einem Ausnahmezustand unterworfen wird, in dem der Ethos des ewigen Krieges zur ultimativen Priorität für eine anspruchsvolle globale Elite wird. Jede andere Variable – vom Transhumanismus über die Entvölkerung bis hin zur Zensurkultur – sei dem Zustand des Kriegsrechts unterzuordnen und im Grunde genommen unwesentlich. Das Einzige, was zählt, ist die Ausübung absoluter und grenzenloser Kontrolle.
Berlin – Moskau – Peking
Solide deutsche Wirtschaftskreise widersprechen der “Botschaft” der DGAP an Scholz zur China-Reise. Der Gesellschaft zufolge pilgerte die Scholz-Karawane nach Peking, um im Wesentlichen die vorbereitenden Schritte für die Ausarbeitung eines Friedensabkommens mit Russland einzuleiten, mit China als privilegiertem Vermittler. Dies ist geopolitisch und geoökonomisch so brisant, wie man es sich nur vorstellen kann. Wie ich in einer meiner früheren Kolumnen betont habe, unterhielten Berlin und Moskau einen diskreten Kommunikationskanal aufrecht – über Gesprächspartner aus der Wirtschaft –, bis die üblichen Verdächtigen in ihrer Verzweiflung beschlossen, die Nord Stream-Pipelines in die Luft zu sprengen. Bühne frei für die mittlerweile berüchtigte SMS von Liz Truss an Tony Blinken, eine Minute nach den Explosionen: “Es ist erledigt.”
Aber da ist noch mehr: Die Scholz-Karawane versucht möglicherweise, einen langen und komplizierten Prozess einzuleiten, um die USA schließlich durch China als Hauptverbündeten zu ersetzen. Man sollte nie vergessen, dass Deutschland – genauer gesagt das Ruhrgebiet – der wichtigste Handels- und Konnektivitäts-Terminal für die chinesische Belt & Road-Initiative in der EU ist.
Einer Quelle zufolge “könnten sich Deutschland, China und Russland verbünden und so die USA aus Europa verdrängen, wenn diese Bemühungen erfolgreich sind”. Und das Sahnehäubchen dabei: Olaf Scholz wurde auf dieser Reise von deutschen Industriellen begleitet, also jenen, die in Deutschland tatsächlich das Sagen haben und sich nicht einfach zurücklehnen und zusehen, wie die deutsche Wirtschaft zerstört wird.
Moskau weiß sehr genau, was das Ziel des Imperiums ist, wenn es darum geht, die EU auf die Rolle eines völlig beherrschten und deindustrialisierten Vasallen zu reduzieren, der keine Souveränität mehr ausübt. Aber nur nicht die Kommunikationskanäle liegen auf dem Grund der Ostsee in Trümmern und darüber hinaus hat China keinen Hinweis darauf gegeben, dass sein massiver Handel mit Deutschland und der EU bald Geschichte sein soll.
Meinung
Nord Stream 2: Deutschlands Verabredung mit dem Schicksal
Einen Tag bevor seine Karawane Peking erreichte, betonte Scholz selbst gegenüber chinesischen Medien, dass Deutschland nicht die Absicht habe, sich von China abzukoppeln und es nichts gebe, was “die Aufrufe einiger, China zu isolieren”, rechtfertige. Parallel dazu sind sich Xi Jinping und das neue chinesische Politbüro der immer wieder bekräftigten Position des Kreml durchaus bewusst: Man bleibe weiterhin offen für Verhandlungen, sofern Washington endlich beschließt, über das Ende der von Russophobie getriebenen, unbegrenzten NATO-Erweiterung zu sprechen.
Verhandeln bedeutet also, dass das Imperium zuerst eine Unterschrift auf der gepunkteten Linie unten rechts im Dokument setzen muss, das es am 1. Dezember 2021 aus Moskau erhalten hat und in dem auf die “Unteilbarkeit der Sicherheit” gepocht wird. Vorher gibt es nichts zu verhandeln. Und wenn dann noch der Pentagon-Lobbyist Lloyd Austin hinzukommt, der den Ukrainern öffentlich rät, auf Cherson vorzurücken, ist noch glasklarer, dass es nichts zu verhandeln gibt.
Könnte das alles also der Grundstein für eine geopolitische und geoökonomische Achse Berlin-Moskau-Peking in Eurasien sein? Das hieße “Bye Bye, Imperium”. Auf der anderen Seite: Es ist erst dann vorbei, wenn die fette Dame den letzten Akt der Götterdämmerung singt.
Aus dem Englischen. Zuerst erschienen bei Strategic Culture.
Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt “Raging Twenties” (Die wütenden Zwanziger). Er wurde von Facebook und Twitter aus politischen Gründen verbannt, aber man kann ihm auf Telegram folgen.
Quelle