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Ukraine fordert “Atomschlag” gegen Russland

Ukraine fordert "Atomschlag" gegen Russland

Quelle: www.globallookpress.com © imago stock&people via www.imago-images.deTschechisches Kernkraftwerk sowjetischer Bauart: Kühltürme und Reaktorgebäude des AKW Temelín in Südböhmen (Archivbild)

Von Sergei Sawtschuk

Die Wirtschaftsredaktion von Bloomberg geht davon aus, dass die britische Wirtschaft nach den aktuellen Daten in eine Rezession geraten ist. Auch die Wirtschaft Deutschlands, Kiews zweitwichtigstem Militärsponsor, befindet sich in der Rezession. Wir könnten das Gespräch an dieser Stelle beenden und über die Sanktionsjäger lachen, die sich auf die Suche nach russischer Wolle gemacht haben und geschoren zurückkamen, aber die Situation ist viel tiefgreifender: Unsere Feinde suchen weiterhin nach unseren Schwächen.

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Heute, da westliche Finanzinstitute säuerlich feststellen, dass alle Sanktionen gegen die russische Öl- und Gasindustrie mit unüberhörbarem Krachen gescheitert sind und Russland im Oktober 1,6 Billionen Rubel mit dem Verkauf von Kohlenwasserstoffen verdient hat (der zweithöchste Wert in der Geschichte), fordern Russophobe, die ihren letzten Rest Hoffnung verlieren, erneut einen Atomschlag gegen Moskau. Bis jetzt im übertragenen Sinne.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in den USA wurde das Thema der Abhängigkeit von russischen Uranlieferungen und des technischen Rückstands gegenüber Russland unter den Teppich gekehrt, da es für beide gegnerischen Parteien gleichermaßen unbequem ist. Doch wo die schlauen amerikanischen Diplomaten schweigen, schreien ihre Kumpane lauthals auf, aus Angst vor einem möglichen Lieferstopp von Waffen, Geld und der Tatsache, dass sie mit Russland alleingelassen werden. Der ukrainische Außenminister hielt gestern eine Rede, in der er im Wesentlichen darauf hinwies, dass der amerikanische Nuklearmonopolist Westinghouse und die Ukraine seit Langem – hartnäckig und vergeblich – von der Europäischen Union die Einführung irgendwelcher restriktiver Regelungen fordern. Er sagte:

“Wir haben der EU eine Angel gegeben, um einen großen fetten Fisch namens Rosatom zu fangen, aber ohne Ergebnis.”

Wir haben ein einzigartiges Bild eines ganzen Staates vor uns, der nicht einmal seine eigenen Interessen oder die seines finanziellen Oberbefehlshabers vertritt, sondern einfach fordert, dass andere Länder ihrem eigenen Energiesektor und folglich der Wirtschaft einen Schlag versetzen. Und das alles nur, damit ein privates amerikanisches Unternehmen, das sich natürlich nicht auf den Lorbeeren amerikanischer Öl- und Gasarbeiter ausruhen kann und darf, das russische Marktsegment besetzt, aber nicht im Rahmen eines fairen Wettbewerbs, sondern indem die EU-Länder selbst Rosatom einfach vor die Tür setzen. Das Weiße Haus distanziert sich offiziell von allen derartigen Initiativen, was natürlich nicht die völlig unverfrorene und halb banditenhafte Methode aufhebt, jegliche Konkurrenten, seien es Länder oder Konzerne, aus jedem Markt zu verdrängen.

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Die Europäische Union, die im vergangenen Jahr nur zögerlich alle möglichen Sanktionen gegen Moskau akzeptierte und sich in der Rolle eines absoluten Vasallen befindet, simulierte eine Reaktion und hektische Aktivität.
Mit wahrhaft bürokratischer Virtuosität lenkte EU-Energiekommissarin Kadri Simson eine schmerzhafte Entscheidung auf untergeordnete Exekutoren ab – in diesem Fall auf bestimmte EU-Länder. Zu Beginn ihrer Rede erwähnte Simson einige Erfolge bei der Diversifizierung der Brennstoffversorgung für die europäischen Kernreaktoren, nannte aber keine Einzelheiten, sodass unklar bleibt, woher die europäischen Kernkraftwerksbetreiber ausreichende Mengen an Uranpellets beziehen, denn die weltweiten Produzenten lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen.

Brüssel hat mit einem geschickten Schachzug den Ball an die Tschechische Republik, Ungarn, Bulgarien und Finnland weitergespielt, wo noch Kernreaktoren sowjetischer Bauart in Betrieb sind. Die nationalen Betreiber werden aufgefordert, der Europäischen Kommission so bald wie möglich Daten über das Ausmaß ihrer Abhängigkeit von der Lieferung von Ersatzteilen, Komponenten und Wartungs- und Instandhaltungsdiensten für Reaktoren russischer Herkunft zu übermitteln. Um sicherzustellen, dass niemand die Frechheit besitzt, den Prozess zu sabotieren, müssen die tschechischen, finnischen, ungarischen und bulgarischen Betreiber auch Vorschläge und Pläne vorlegen, um genau diese Abhängigkeit zu beseitigen. Vereinfacht ausgedrückt, deuten die Hakenwürmer in Brüssel ganz offen an, dass die Zusammenarbeit mit Rosatom abgebrochen werden muss, und schlagen vor, dass sich die künftigen Ertrinkenden im Voraus um ihre eigene Rettung kümmern.

Um es gleich vorweg zu sagen: Diese Idee wird mit einer fast hundertprozentigen Garantie nichts bringen, was die Verzweiflung der Versuche, Russland in irgendeiner Weise zu schikanieren, noch unterstreicht.
Der derzeitige Status quo zwischen den Hauptakteuren zeigt unmissverständlich, dass alle auf den geopolitischen Gipfeltreffen alles sehr genau verstehen. Aber erstens kann der Westen nicht einmal auf den Hauch einer Chance verzichten, uns zu verschaukeln. Zweitens erleben wir mit eigenen Augen die Verschmelzung des amerikanischen Großkapitals, das so arrogant geworden ist, dass es den – theoretisch unabhängigen – EU-Staaten und der Ukraine, die bereit ist, sich aus Spaß an der Freude anzuschließen, solange es nur gegen Russland geht, direkt seinen Willen diktiert.

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Aus rein technischer Sicht ist es kategorisch unmöglich, die Kooperationsbeziehungen mit Rosatom zu beenden. Die AKWs in den genannten Ländern verfügen noch immer über sowjetische Reaktoren, Komponenten, Hilfs-, Elektro- und andere Ausrüstungen, die nirgendwo sonst auf der Welt hergestellt werden. Daher werden die Betreiber weiterhin alles, was sie brauchen, aus Russland beziehen – es ist nicht so, als würde man die Benzinpumpe im Auto gegen eine billigere analoge Pumpe austauschen. Es ist nicht nötig, über drakonische Strafen für die einseitige Kündigung von Verträgen zu sprechen. Der EU-Haushalt, der durch das stagnierende Deutschland in Mitleidenschaft gezogen wird, sieht derartige Ausgaben eindeutig nicht vor.

Aber wir sollten uns auch nicht entspannt zurücklehnen.
Ein gewisser Rückgang der Spannungen in Richtung Ukraine bedeutet nicht, dass Washington und seine Freunde die Idee aufgeben, Russland zu torpedieren oder zu schwächen. Tatsächlich haben sie diese Aufgabe seit Jahrhunderten verfolgt, und über ihre ukrainischen Vasallen loten sie vorsichtig die Grenzen des Möglichen aus. Erst gestern berichtete der Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, dem Präsidenten, dass Kiew zunehmend auf rein terroristische Methoden der Kriegsführung zurückgreift – insbesondere hat es wiederholt versucht, die Kernkraftwerke Leningrad, Kalinin und Kursk anzugreifen.

Was beim Öl- und Gassektor nicht gelungen ist, versuchen sie jetzt mit der Atomindustrie.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 9. November 2023.

Sergei Sawtschuk ist ein russischer Kolumnist und Blogger.

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