Angesichts der politischen Schwierigkeiten im Kaukasus sollte diplomatisches Feingefühl umso größer geschrieben werden. Armenien und Aserbaidschan befinden sich in einem jahrzehntelangen Konflikt um Bergkarabach, das zwar zu Aserbaidschan gehört, aber seit den 1990er Jahren von armenischen Kräften kontrolliert wird, die von Armenien unterstützt werden. Im Jahr 2017 erklärte es sich für unabhängig. In einem sechswöchigen Krieg im Jahr 2020 eroberte Aserbaidschan weite Teile von Bergkarabach und angrenzende Gebiete zurück. Mehr als 6.500 Menschen starben bei den Kämpfen. Im September kam es zu einer neuen Runde von Feindseligkeiten, bei denen mehr als 200 Soldaten auf beiden Seiten getötet wurden. Armenien und Aserbaidschan gaben sich gegenseitig die Schuld an der Auslösung der Kämpfe. Nach Gesprächen unter russischer Vermittlung nahmen die beiden seit Jahrzehnten verfeindeten Kaukasus-Staaten Armenien und Aserbaidschan in einer gemeinsamen Erklärung Ende Oktober Abstand von Gewalt im Streit um die Grenzregion Bergkarabach.
In dieser Woche erregten sich ganz unterschiedliche Gemüter über eine Mitteilung des ukrainischen Botschafters in Aserbaidschan, Wladislaw Kanewskij. Unter einen patriotisch anmutenden Text postete er verschiedene Bilder.
“Am Siegestag gedachten wir der Nationalhelden und all derer, die die Souveränität und territoriale Integrität Aserbaidschans verteidigten. Der Ukrainer Wiktor Serjogin, der unter Einsatz seines Lebens Zivilisten aus dem vom Krieg zerrissenen Bergkarabach rettete, gehört zu diesen Helden.”
Ukrainian ambassador to Azerbaijan shared this pict to celebrate ethnic cleansing of indigenous Armenians of Artsakh. Here azeri soldiers is throwing fascist grey wolves sign! Ukraine is country that itself under the putin’s attack & fascism!Zelensky should comment on this shit https://t.co/zrOwNQT0zKpic.twitter.com/FC5cEVhps1
— Лусинэ 🇦🇲 (@lusine_djanyan) November 8, 2022
Eines der Fotos zeigt die vom Botschafter gelobten aserbaidschanischen Soldaten mit dem Wolfsgruß, einem Erkennungs- und Grußzeichen einer rechtsextremen, nationalistischen Gruppierung aus der Türkei, der Grauen Wölfe, welcher in mehreren Ländern verboten ist.
Graue Wölfe – oder Türkisch Bozkurtçular – ist der inoffizielle Name der ultranationalistischen Organisation Ülkü Ocakları [sogenannte “Idealistenherzen”], gegründet in den 1960er Jahren von Alparslan Türkeş, einem Oberst, der 1960 am Putsch gegen Ministerpräsident Adnan Menderes beteiligt war und als rechtsextrem oder auch neofaschistisch eingestuft wird. Für seine Reden hat er sich unter anderem in dem Buch “Mein Kampf” von Adolf Hitler bedient.
Ülkü Ocakları wird oft als die Straßenbewegung oder als der extreme Flügel der ebenfalls von Türkeş gegründeten Partei der Nationalistischen Bewegung MHP bezeichnet (Milliyetçi Hareket Partisi – dt.: Nationale Partei der Bewegung). Die MHP unterstützt die regierende AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Ideologisch setzen sich beide Organisationen für Turanismus, den Panturkismus ein, der die kulturelle und politische Vereinigung aller Turkvölker zum Ziel hat. Die politische Bewegung des Panturkismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts unter türkischen Anhängern unter anderem in der russischen Region Kasan und in Aserbaidschan sowie im Osmanischen Reich. In ihrem Heimatland sollen die Grauen Wölfe Tausende Morde begangen haben, doch nicht nur in der Türkei sind sie für Gewalttätigkeit bekannt.